Gestatten: bin Laden.

"Geronimo", Leon de Winter (Verlag Diogenes) | 6.10.2016
"Geronimo", Leon de Winter (Verlag Diogenes)Ein Spezialteam, angewiesen mit "kill or capture" und dem Codewort "Geronimo", lässt 2011 die Welt den Atem anhalten, als der schlimmste Feind des amerikanischen Imperiums und der Welt, das Zeitliche segnet. Hat er wirklich? Wie bei allen Verschwörungstheorien, gibt es Zweifler, Zeugen und angeblich sogar handfeste Beweise, dass Osama, gut versteckt und reichlich kostümiert in Lederkluft und dunkler Sonnenbrille, mit einem Motorrad durch die Nächte brettert.

Etwas hanebüchen? Zugegeben! Aber waghalsig ausgedacht und spannend zu einem Plot gebastelt, der sich lesen lässt. Tom Johnson, ex-CIA Mitglied, kommt der heimlichen Hintergrundgeschichte von Osama bin Laden auf die Spur.  Nahezu sympathisch erscheint einem dieser verrückte Massenmörder, bar jeder Macht und Verantwortung. Fast rührend, wie er sich um seine zwei Lieblingsfrauen und Kinder sorgt. Eine kleinen Bettlerin, die durch sein Regime Hände und Ohren verloren hat, vor dem Hungertod bewahrt. Am Ende muss natürlich auch Osama dann doch dran glauben - wär ja noch schöner!

Und vorher erfährt man soviel über die großen Weltreligionen und ihre Auswüchse, wie es eben nur Leon de Winter, auf die Schnelle und leicht lesbar zu erzählen vermag. "So was kommt von so was" und nichts geschieht ohne Grund. Wo und wann und wie hat das eigentlich alles, verdammt nochmal, angefangen? Wie verhalten wir uns zu Politik, Religion und dem humanistischen Grundgedanken (grade jetzt!)? Ja, da stellt man sich ein paar unangenehme Fragen, die man vielleicht nicht so richtig beantworten kann! Kann Leon de Winter natürlich auch nicht. Dafür erfährt man aber, warum die Goldberg-Variationen "Goldberg-Variationen" heißen, Glenn Gould ihr bester Interpret ist und warum grade diese Komposition von Al-Quaida so verteufelt wurde. Man erfährt, wie wichtig ein alter Holzschemel sein kann, und dass es manchmal besser ist, einige Dinge zu lassen, wie und wo sie sind. Und dass Geld und die Gier danach, den Charakter versaut!

Johnsons Leben, seine Ehe - alles geht den Bach runter. Den Tod seiner kleinen Tochter konnte er nicht verhindern, die CIA hat ihn nicht grade ehrenhaft verabschiedet, die Frau ihn verlassen und längst mit einem neuen Mann eine neue Familie gegründet. Perspektivisch gesehen alles ziemlich düster für unseren Steppenwolf. Doch am Ende findet er die Möglichkeit etwas gutzumachen und ausgleichende Gerechtigkeit zu schaffen. Und so hat das ganze dann doch einen Sinn gehabt!
Beste Unterhaltung!

Äußerst spannend und gut recherchiert!
Lesen!