Zwischen Musa Dagh und Ararat.

Laura Cwiertnia: "Auf der Straße heißen wir anders" (Klett-Cotta) | 19.4.2022
Mit einem goldenen Armreif am Handgelenk, einem nörgelnden Vater im Schlepptau und wenig Ahnung von Armenien, macht Klara sich auf die Spurensuche ihrer Familie. Weder ihr armenischer Vater noch ihre deutsche Mutter und schon gar nicht Klara selbst sind je in Omas Heimat gewesen. Erst der Tod der Großmutter und eine ominöse Hinterlassenschaft bringen Vater und Tochter zu den eigentlichen Wurzeln der Familie. Die Großmutter, in den 60ern als Gastarbeiterin nach Deutschland verfrachtet, hat viel Leid und wenig Freude in ihrer Heimat und später auch in Deutschland erfahren. Während ihre Familie, ihr ganzes Dorf einfach so im großen Völkermord an den Armeniern im osmanischen Reich verschwand, wurde Karlas Urgroßmutter auf Kosten ihrer Identität gerettet. Auf der Straßen wurden Namen in türkische Formen gepresst und alles hat sich immer nur fremd und falsch angefühlt. Das Narrativ der wahren Herkunft war so blaß geworden, dass es eigentlich schon gar nicht mehr da war. Wie lebt man mit einer gestohlenen Existenz, einer gefälschten Identität? Mit welcher Geschichte füllt man einen luftleeren Raum? Was lässt sich erzählen um sich selbst zu legitimieren? Was Krieg, Vertreibung und Flucht mit den Menschen macht vermag nur der zu wissen, der es erlebt hat. Und wer seit Genarationen keine eigene Geschichte mehr hat, wird es im Leben  schwer haben, diese Schwere weiter vererben und immer am Rand der Gesellschaft stehen. So einfach ist das. Und so traurig!
Jung und frech kommt Laura Cwiertnia daher.  Unglaublich kraftvoll und tragisch komisch erzählt sie die Geschichte ihrer Familie. Niemals das Wesentliche aus dem Blick lassend, nimmt sie uns mit auf eine aufregende Reise und in ein großes Unglück, dass bis heute noch immer geleugnet wird.
Lesen!
Unbedignt lesen!