Phönix aus der Asche

Emmanuelle Bayamack-Tam: "Ich komme" (Verlag Secession) | 27.10.2017
Emmanuelle Bayamack-Tam: "Ich komme" (Verlag Secession)
Gladys und Régis ist es nicht beschieden eigene Kinder zu bekommen. Sie adoptieren die süße, olivfarbene Charonne. Das kleine "Affenkind" wird groß und fett und schwarz. Es muss eingesehen werden, dass der "Mohrenkopf" nicht zurück getauscht werden kann, eine Volladoption nicht ungeschehen zu machen ist. Man versucht also, sich so wenig wie möglich zu kümmern und das gelingt! Das adoptierte "Negerkind" muss ohne elterliche Zuneigung und Schutz  zurecht kommen.

Wär' da nicht Großmutter Nelly, alternde Diva und ehemalige Schauspielerin, die einen Narren an der Enkelin, die nicht ihre Enkelin ist, gefressen hat und sich als Einzige ihrer annimmt. Auch "Weltmann" und Großvater Charlie, Filmproduzent und Lebenskünstler hat erst in der Agonie seiner "Krankheit der Alten", die "kleine Negerfresse" akzeptiert und erkannt, dass sie der einzige Mensch im Haus ist, auf den er sich verlassen kann.

Still, stoisch und und aus eigener Kraft wächst Charonne heran, über sich und die adoptierte Familie hinaus. Schwarz und groß, klug, schön und korpulent wie ein Elefant, ist sie am Ende die Einzige, die reüssiert. Die anderen scheitern mehr oder weniger glamourös. Großvater Charlie, der an sich selbst verzweifelt und die Wände des gemeinsamen Hauses mit seiner eigenen Scheiße beschmiert. Die Großmutter, die unter ihrer roten Schminkfahne den langsamen Tod der Vergänglichkeit stirbt. Gladys, Nellys wahrhaftige Tochter, weiß aber hässlich, vom Schwan zum Entlein mutiert, und im Schatten der schönen Mutter erstickt, bleibt nur Neid, Verbitterung und Zorn. Bei ihnen allen löst sich am Ende ein Knoten in tausend wirre Fäden auf, die sich nicht mehr zusammenfügen lassen. Einzig "dickes, schwarzes" Charonne, gefunden in einer Mülltonne, mit dem Namen einer Junkie-Mutter, die Fan von Sharon Stone war, erhebt sich, wie der Phönix aus der Asche, führt die ganze Bagage vor und zeigt allen, wie wenig es am Ende nutzt, zu den Schönen und Reichen gehört zu haben...

Wow! Was für ein cooles Buch! Deftig, krass, spannend und aufregend, zärtlich und wild. Wie immer haut uns Bayamack-Tam das Leben um die Ohren! Da wird rassistisch gepöbelt, dumm gefickt und auf hohem Niveau verwahrlost. Man muss schallend lachen, ist peinlich berührt, manchmal ratlos und verwirrt, tief getroffen und am Ende hat man Mitleid, mit dem gesamten Personal - selbst mit denen, die es eigentlich nicht verdient haben.

Lesen!
Unbedingt lesen!