Liebe rettet alles!?

Emmanuelle Bayamack-Tam:"Arkadien" (Verlag Secession) | 14.7.2020
Während Farahs metamorphischer Körper unter dem Küster Hauser Syndrom explodiert, implodiert das Paradies, in dem sie/er zu Hause ist und wird ad absurdum geführt
Egal ob drogen- liebes- oder mondsüchtig, alt, krank, hübsch, hässlich oder gänzlich unsichtbar. In Arkadien ist jeder willkommen, der keinen Fuß in die Tür der modernen Welt kriegt, weder Besitz noch eine feste Beziehung braucht und sich ohne Bekleidung wohler fühlt als mit. Jeder liebt jeden (auf jede erdenkliche Weise!) und alle lieben Arkadi, das spirituelle Oberhaupt der Truppe.  Wer sich dem Guru und seinen Bedingungen verschreibt, hat Platz in einer gesellschaftlichen Utopie, die ihresgleichen sucht. Liebe ist das was alle und alles zusammenhält. Bedingungs- und grenzenlos. Hoppla! So ganz grenzenlos dann doch nicht. Ein Flüchling dringt ein in "lovecity" und wird unverschämterweise von denen geschützt, die noch keinen vollwertigen Beitrag zur Gemeinschaft geleistet  und überhaupt das Wort Liebe viel zu weit gefasst und falsch verstanden haben...
Wie immer legt Bayamack-Tam fest und nicht ohne Humor den Finger in die Wunde der Menschheit. Es gibt sie einfach nicht, die" beste aller möglichen Welten" oder ist es gerade eben die, die dann doch etwas unbequem ist?
Krasses Buch! Ironisch, mit zarten kleinen Zwischentönen und schweren Seitenhieben in alle Richtungen, haut die Aurorin uns eine Welt um die Ohren, für die man sich täglich schämen könnte.
Lesen!
Unbedingt lesen!