Und der Haifisch, der hat Zähne...

Emanuelle Bayamack-Tam: "Sommerjungs" (Verlag Secession) | 25.4.2022
Thadée ist schön, egoistisch und völlig empathielos. Sein etwas jüngerer Bruder Zachée, ebenfalls gut aussehend aber sonst genau das Gegenteil.  Beide Brüder sind geniale Surfer, denen keine Welle zu hoch keine Tubes zu schwierig sind. Während Zach ohne zu murren im Schatten des großen Bruders bleibt, ihm immer gerne den Vortritt lässt, ist Thad erst zufrieden, wenn er den anderen noch die letzte Welle geklaut und als Einziger die fettesten Monster abgeritten hat. Beliebt ist der arrogante Schönling im Surfcamp jedenfalls nicht.
In La Réunion lassen's die beiden Brüder krachen, bis Thad sein rechtes Bein an einen Bullenhai verliert und plötzlich einer von denen wird, auf die er selbst immer nur verachtend herabgeschaut hat. Bösartig beißt der ehemalige Halbgott um sich, tyrannisiert seine Eltern, seinen Bruder, seine kleine Schwester.
Perfide und pervers zieht der "Einbeinige", wie er selbst sich gerne nennt, die komplette Familie ins Verderben. Die Mutter, die ihren Erstgeborenen schon immer als Rettung und etwas Erhabenes ansah, landet irgendwann in der Klapsmühle, der Vater bei der Geliebten, der verhasste Bruder "bei den Fischen". Allein die kleine Schwester bleibt am Ende in einem Geisterhaus zurück. Der "Krüppel" hat längst die  Kurve gekratzt um in einer abgeranzten Selbstversorgergemeinschaft seine letzte Zuflucht zu finden. Sich kiffend und saufend langsam aus dem Leben verabschieden - das war der Plan. Aber da hat der fiese Thad seine Rechnung ohne die Freundin und große Liebe seines Bruders gemacht. Die sinnt auf Rache und wird Thadée zeigen, was wirkliches Leid bedeutet.
Das ist richtig guter Trash! Zwischen "ES" und dem "Untergang des Hauses Usher" gruselt und ekelt man sich aufs Feinste. Wahnsinnig spannend und frei nach dem Motto: schlimmer geht immer! Wenn man sich mal so richtig wegbeamen will: VOILÁ!
Frau Bayamack-Tam schreibt hier deutlich unter ihrem Niveau aber doch mit diesem rotzigen Unterton, den man von ihr kennt und der keinen Kitsch und keine weichgespülten Befindlichkeiten zulässt. Und ja, es ist pure Unterhaltung, manchmal redundant, übertrieben und mitunter sogar nervig. Aber es ist trotzdem ein Kracher und völlig irre. Ich habe keine Zeile bereut!
Lesen!
Unbedingt lesen!