Halbbart mit zwei Fingern.

Charles Lewinsky: "Sein Sohn"(Verlag Diogenes)) | 26.8.2022
Die Geschichte ist schnell erzählt: Als Säugling wird Louis Chabos in einem mailändischen Kinderheim "verklappt". Mutter unbekannt, Vater abgehauen. Das Kost- und Schulgeld allerdings für Jahrzehnte im Voraus bezahlt. Merkwürdig! Während Louis heranwächst, als Kind täglich verdroschen und gepiesackt wird, gibt es immer einen, der ein Auge auf ihn hat. Bald lernt der Junge sich zu wehren und sich nichts mehr gefallen zu lassen, verlässt das Heim, will Soldat werden. Und kommt vom Regen in die Traufe. Unter Napoleon verliert er drei Finger, den Glauben an das Gute  und fast seinen Verstand. Doch wie Hans im Glück hat er immer wieder ein Tauschgeschäft auf Lager, findet Menschen, die ihm wohlgesonnen sind, sein gutes Herz und seine reine Seele erkennen. Kurz findet er eine Art Glück und macht seinen Frieden mit sich und der Welt. Wird Weingutbesitzer, Ehemann, Vater und Teil einer Familie, die es gut mit ihm meint. Aber da ist etwas, das an ihm nagt und ihn am Ende zu Fall bringt. Wer ist er? Wo kommt er her? Während die Mutter zu finden war , was unerquicklicher nicht hätte sein können, bleibt der Vater noch diffus. In Paris kommt Louis auf die Spur seiner unglaublichen Abstammung. Verliert sich in kriminellen Machenschaften, lässt sich von der trügerischen Schönheit einer gefährlichen Stadt blenden und steht "am End' als armer Tor und ist so schlau als wie zuvor"...
In ganz kurzen Sätzen erzählt Lewinsky eine atemberaubende, traurige, äußerst spannende Geschichte über Heimat und Herkunft. So kurz sind die Sätze, dass man sich erstmal daran gewöhnen muss. Zack, zack, zack kommen die Fakten schörkelos auf den Tisch und werden einem fast ungeschliffen um die Ohren gehauen. Da gibt es kein literarisches Geschwurbel. Doch nach kurzer Zeit ist man dermaßen gefangen, leidet, lacht sich eins ins Fäustchen und kann partout nicht verstehen, warum dieser schlaue Kerl einfach keine Ruhe gibt. Und alles wissen will. Egal um welchen Preis. Oder versteht man es nur zu gut?
Dolles Ding!
Lesen!
Unbedingt lesen!