"Wenn einem die Engel zum Arsch rausfliegen"

Annika Büsing: (Nordstadt) Verlag Steidl | 11.2.2022

Dann hat man Glück gehabt. Fliegen die Engel nicht, siehts eher düster aus.
Wie bei Boris dessen Hippie-Mutter ihm in Indien die Kinderlähmung an den Hals bzw. die Beine gehängt hat und der im Leben nur als Krüppel, Spasti oder "der mit den Beinen" rangiert.
Oder bei Nene, die von ihrem Vater ihr halbes Leben lang grün und blau geschlagen wurde und auch sonst wenig Schönes erfahren hat. Sich aber niemals als Opfer sieht, versucht zu vergessen und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden.
Boris schreibt sich und jeglichen Anspruch auf ein bisschen Glück ab - wer will schon einen Klotz am Bein haben. Als Menschenfeind kultiviert er seine Unzulänglichkeiten und seine dunklen Stimmungen.
Hat aber die Rechnung ohne Nene gemacht.
Als sie das erste Mal in seine Puma-Augen schaut, sind die verdrehten Beine nebensächlich. Bis Boris kapiert, dass Nene ihn wirklich will wird auf hundertdreiundzwanzig Seiten eine bizarre, schöne, traurige, humurvolle, unglaubliche Liebesgeschichte erzählt. Coming of Age für Fortgeschrittene.
Das hat's lange nicht gegeben! Kein Wort zu viel. Und doch erzählt die Autorin ganz großes Kino (schreit nach Verfilmung) haut uns das Leben um die Ohren und reißt uns das Herz raus. Gott sei Dank kriegen wir es am Ende zurück!
Dieses Buch ist ein Orkan! Ein Feuerwerk und eine krasse, kurz gefasste Bestandaufnahme unserer Gesellschaft! Man muss dem Glück nur einen Stuhl vor die Tür stellen. Und sie bitteschön auch öffnen!
Hammer! Ich bin noch ganz verstrahlt von diesem Buch.
LESEN!
UNBEDINGT LESEN!