"Phoenix aus der Asche"

Joanna Bator:"Wolkenfern" (Suhrkamp) | 1.1.2014

Als Dominika nach einem schweren Verkehrsunfall und langem Koma erwacht, lässt sie Polen, ihre Mutter und sogar die geliebte kettenrauchende "Oma Kolomotive" hinter sich. Sie kehrt der verheißungsvollen "BeErDe" und allen "Castrop Rauxels" den Rücken, um endlich frei und selbstbestimmt einen Platz in der Welt zu finden. Mit Hilfe ihrer Krankenschwester, einer farbigen "Homodingsbums", wie Dominikas Mutter gleichgeschlechtliche Paare unsicher benennt, findet sie am Ende ihre Heimat zwischen London und New York.
Während dieser Odyssee wird, wie gewohnt, ganz nebenbei, europäische Geschichte erzählt. Von den verrückten Teetanten, die Grazynka vor dem KZ retten, und dafür später als Nixen in die Legende eingehen dürfen. Vom "Städtchen", dessen gesamte polnische Bevölkerung von der SS deportiert wurde, und eine wundersame Auferstehung erlebt. Von Unrecht und ausgleichender Gerechtigkeit wird berichtet und vom Zauber des goldenen Nachttopfs, der unter Napoleons Allerwertestem gestanden hat. Von Liebe in all ihren Facetten und vom Sinn und Unsinn, auf der Welt zu sein.
Wie immer nimmt Frau Bator kein Blatt vor den Mund. Sie lässt ihre Protagonisten sprachgewaltig die Stimmen erheben. Mal zum Brüllen komisch und manchmal so traurig, dass man losheulen möchte. Tatsächlich Passiertes und absurd Erfundenes gehen Hand in Hand, in feinster literarischer Form - und machen dieses Buch zu einem Hochgenuss!
Das Motiv der Suche nach Heimat, die war, die es gilt wieder- oder überhaupt zu finden, bestimmt die Geschichte.
Und wie in Sandberg, sind es am Ende immer die Frauen, die gestärkt aus den Niederlagen des Lebens hervorgehen und "den längeren Atem" haben.
Lesen! Unbedingt!